2., stark erweiterte und korrigierte Auflage 2022

Buchcover Lexikon des Systemischen Arbeitens

Was ist "Systemisches Arbeiten"?

Aus: Wirth, Jan V.; Kleve, Heiko (Hg.) (2012, 2022): Lexikon des systemischen Arbeitens. Grundbegriffe der systemischen Praxis, Methodik und Theorie. Heidelberg: Carl-Auer, S. 10-11.

1. »Systemisch zu arbeiten« heißt, die wissenschaftliche Einsicht professionell zu nutzen, dass der täglichen Realität – mit all ihren Problemen, aber auch mit all ihren Lösungen – keine Wirklichkeit an sich, sondern sinnhaft konstruierte, raum-zeitlich geordnete und symbolisch verfasste Erfahrungen zugrunde liegen.

2. »Systemisch zu arbeiten« drückt aus, sich selbst als Teil und Ko-Erzeuger sozialer Kontexte und ihrer Beobachtungen begreifen und reflektieren zu können. Es gibt keinen archimedischen Punkt, also keinen Punkt außerhalb der als sinnhaft strukturierten sozialen Welt, auf den sich zurückzuziehen möglich wäre und der von dort einen – etwa verantwortungsfreien – Blick auf die Welt verspräche, wie sie wirklich ist.

3. »Systemisch zu arbeiten« bedeutet weiterhin, Verhaltensweisen bzw. Kommunikationsmuster mit Bezugnahme auf die sozialen Kontexte zu verstehen, in denen sie z. B. als Dysfunktion, Problem, Störung, Gefahr – oder eben auch als Lösung – etc. pp. beobachtet, beschrieben bzw. gehandelt werden.

4. »Systemisch zu arbeiten« meint außerdem, dass biologisch-organische, psychische und Sozialsysteme und ihre Dynamiken in ihren funktionalen und operativen Zusammenhängen betrachtet werden, weil Veränderungen in einem System Veränderungen in den mit ihm gekoppelten Systemen bzw. in seiner Umwelt zur Folge haben.

5. »Systemisch zu arbeiten« läuft darauf hinaus, vom alltagsgewohnten und im Grunde simplen linearen Ursache-Wirkungs-Denken abzurücken zugunsten der praxisbewährten Erfahrung, dass Verhaltensweisen sich zirkulär formieren, d. h. wechselseitig aufeinander verweisen, unter dem Gesichtspunkt, dass Ereignisse auf vielfältigere Weise sinnstiftend miteinander verknüpft werden (können).

6. »Systemisch zu arbeiten« trägt dem Umstand Rechnung, dass Psychen und Sozialsysteme, d. h. sinnverarbeitende Systeme, nicht immer gleich, sondern je nach Zustand, Geschichte und Kontext (des jeweiligen Systems) unterschiedlich auf Angebote oder Zumutungen reagieren und dass aus Gründen der schier unendlichen Verknüpfungsfähigkeiten sinnverarbeitender Systeme nicht von vornherein feststeht, in welcher Weise sie dies tun werden.

7. »Systemisch zu arbeiten« signalisiert die Bereitschaft, sich festzulegen auf eine Erkenntnis- und Arbeitshaltung, die wertschätzend auf Personen und ihre Lebensräume zugeht, sich primär an ihren Aufträgen und Ressourcen orientiert, um final die Anzahl der Handlungsmöglichkeiten mehren zu helfen, die den Beteiligten/Klienten/Adressaten zur Verfügung stehen. Denn Problemlösung bedeutet im Grunde nichts weiter, als zwischen Möglichkeiten – und das heißt: zwischen ihren Beschreibungen – auswählen zu können.

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Über SYSTEAMS

Diese Webseite möge zur Erforschung, Anwendung und dem Praxistransfer systemisch-postmoderner Methoden, Handlungsmodellen und Theorien in Sozialer Arbeit dienen.

Ausdruck für diese Arbeitsweisen können Publikationen sein wie die 69 Leuchtfeuer von Kleve und Wirth, hier geht's zur Leseprobe. Hier geht's zur Audio-Lesung.

Seit dem Jahr 1996 bis heute gibt es eine thematische Verkettung von Publikationen, die als Meilensteine postmoderner Theoriebildung gelesen werden können.

Die Ausgangspunkte sind Mehrperspektivität, Vielfalt und die Ambivalenz von Wirklichkeit und Möglichkeit als Grundlagen für systemisch angewandte Sozialtheorie.

Ambivalenz soll nicht psychologisch, sondern soziologisch verstanden werden als Unbestimmtheit der beiden Werte durch ihre unentscheidbare Beziehung zueinander.

Lebensführung verweist auf das Umgehenkönnen mit Ambivalenz, also mit der Unentscheidbarkeit, wie wirklich die Wirklichkeit ist, und welche Möglichkeiten potentiell verfügbar sind.

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